Filmportrait:
7915 km - auf den Spuren der Rallye nach Dakar

Filmplakat 7915 km - auf den Spuren der Rallye nach Dakar

7915 km - auf den Spuren der Rallye nach Dakar


Österreich 2008
Regie: Nikolaus Geyrhalter; Dokumentarfilm
Länge: 106 min., FSK: o.A.

Ein Erlebnis der Langsamkeit in einer schnellen Welt.
Paris, Herbst 2006: Die berühmteste Rallye der Welt wird in exklusivem Rahmen Sportjournalisten und Motorsportprofis präsentiert; Bilder wie die hier gezeigten werden später von Millionen Menschen weltweit vor den Fernsehschirmen verfolgt werden: Hochtechnisierte Motorräder, Autos und LKWs rasen durch Wüsten, Steppen, Dörfer und Städte in fünf afrikanischen Ländern, 7915 Kilometer in wenigen Tagen, um in Dakar einen Sieger zu küren.

Diese Projektionen wirken wie ein schemenhaft verzerrtes Nachbild in den Film ‘7915 KM’ hinein, der beginnt, als die Rallye schon vorbei ist. Die Kamera steht in der marokkanischen Wüste: ‘Kilometer 1009’, sagt die eingeblendete Schrift. In sanften Schwüngen führen Reifenspuren in die Ferne. Der Blick der Kamera richtet sich lang und unbewegt in die Ferne, und bis auf den Wind, der sich am Mikrofon bricht, ist es still. Die Route wird zur Fährte, der der Film langsam folgt und dabei das entdeckt, was im Geschwindigkeitsrausch Millionen Fernsehzuschauer nicht sehen konnten: Die vielfältige Gegenwart Afrikas, die in Begegnungen und Portraits dokumentiert und dem rasenden Erobern gegenüberstellt wird. 4 Monate lang im Jahr 2007 haben Nikolaus Geyrhalter und sein Team für ‘7915 KM’ gedreht, der mehr vom Anhalten als vom Reisen erzählt, vom Verweilen mit Augen, Ohren und viel Zeit.

Die Kamera begegnet Männern, Frauen und Kindern, und ihren Geschichten über den Alltag, die Arbeit, Freuden, Sorgen und Hoffnungen stets auf Augenhöhe; das Tempo des Films bestimmen sie selbst: Ein Mädchen in einem kleinen Dorf in Marokko, das lachend ihr Ziegenkitz ‘Rallye’ präsentiert; sahaurische Soldaten, die seit Jahrzehnten ein Stück Wüste bewachen, dessen
Grenzen nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren nicht geklärt sind; ein mauretanischer Baggerfahrer, der schon längst das Pensionsalter erreicht hat, aber immer noch für seine Familie sorgen muss; ein Kinobesitzer in Mali, der dem boomenden DVD- und Internetmarkt für Blockbusterfilme nackte Weiße aus den 70er Jahren entgegenhält; eine junge Senegalesin, die wortreich durch die Baustellen der Häuser führt, die von den in Europa arbeitenden Dorfbewohnern hier gebaut werden.

Die scheinbare Distanz, die sich in ‘7915 KM’ auftut, wird unterlaufen von den zahlreichen Verbindungen zwischen Europa und Afrika, die in diesen Erzählungen auftauchen, aber auch der allgegenwärtigen Präsenz der Medien noch im entlegensten Dorf, die sehnsuchtsvolle Projektionen von Europa nähren: ‘Europäer haben nichts zu tun. Sie sind reich und genießen das Leben.’

’7915 KM’ macht die Verknüpfungen einer globalisierten Welt spürbar und stellt die Undurchlässigkeit der Grenzen in Frage - jener Grenzen, die Afrika aufgezwungen wurden, und jener, die Europa heute immer stärker verteidigt. Vor einem Haufen angespülter Boote im Hafen von Senegals Hauptstadt Dakarfasst ein Polizist mit unbewegter Miene die hunderten dahinter verborgenen Schicksale zusammen: ‘Manchmal schaffen es die Flüchtlinge nach Europa, und oft eben auch nicht.’
Am Ende beobachtet der Film, wie die Bilder entstehen, die die übliche europäische Wahrnehmung Afrikas zwischen ‘Abenteuerland’ und ‘Bedrohungsszenario’ prägen: Ein mit modernster Technologie gerüstetes Flugzeug eines europäischen Anti-Immigrations-Programmes hebt von Dakar ab, um mit hochauflösenden Teleobjektiven Flüchtlingsboote über dem Meer aufzuspüren.